Lanzarote-Konvention

Bern, 18.08.2011 - An der Medienkonferenz des Bundesrates informierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga dass Kinder und Jugendliche in der Schweiz künftig noch besser vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch geschützt werden sollen. Der Bundesrat schlage deshalb vor, das Strafgesetzbuch zu ändern, seine Vorschläge hat er gestern in die Vernehmlassung geschickt. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren

Kinder und Jugendliche in der Schweiz sollen künftig noch besser vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch geschützt werden. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, das Strafgesetzbuch zu ändern. Er hat seine Vorschläge gestern in die Vernehmlassung geschickt. Ich möchte Ihnen diese Vorschläge hier kurz erläutern.

Wer gegen Entgelt sexuelle Dienste von Minderjährigen zwischen 16 und 18 Jahren in Anspruch nimmt, soll künftig strafbar werden. Dabei ist es unwesentlich, welcher Art das Entgelt ist, es können auch Vergütungen wie Drogen, Unterkunft, Essen, Markenartikel, Kleider oder Ferien sein. Und es spielt auch keine Rolle, welche sexuelle Dienstleistung das Opfer erbringt. Strafbar machen sich jedoch nur die Freier, nicht die Unmündigen selbst.

Die Prostitution von Jugendlichen unter 18 Jahren soll also - endlich - verboten werden. Heute geht der Schutz der Kinder weniger weit: Gemäss geltendem Recht machen sich Freier nur dann strafbar, wenn die Person, deren Dienste sie in Anspruch nehmen, noch keine 16 Jahre alt ist und sie selber mehr als drei Jahre älter sind.

Künftig sollen sich nach dem Willen des Bundesrats allerdings nicht nur die Freier von Unmündigen strafbar machen, sondern auch Zuhälter, Bordellbetreiber, Vermieter, Betreiber von Eros-Centern, Night-Clubs, Cabarets oder Escorts-Services. Strafbar würden also all jene, die mit finanziellen Gewinnabsichten die Prostitution von Unmündigen erleichtern oder begünstigen, indem sie zum Beispiel Unmündigen Salons vermieten oder Unmündige in ihren Etablissements anstellen.

Schliesslich will der Bundesrat auch den Schutz vor Kinderpornografie ausdehnen. Strafbar machen soll sich künftig, wer - wie es im Text des Gesetzesentwurfes heisst - Gegenstände oder Vorführungen, die reale sexuelle Handlungen oder Gewalttätigkeiten mit mit Personen unter 18 Jahren zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht, erwirbt, sich beschafft oder besitzt. Auch der Konsum solcher Gegenstände oder Vorführungen soll strafbar werden. Damit sollen Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr vor der Mitwirkung bei sexuellen Darstellungen geschützt werden.

Unmündige über 16 Jahre, die voneinander einvernehmlich solche Gegenstände herstellen, besitzen oder konsumieren, machen sich gemäss Vorschlag des Bundesrats nicht strafbar. Wenn also zum Beispiel ein 17-jähriger Jugendlicher von seiner 16-jährigen Freundin mit deren Einverständnis ein pornografisches Foto macht, soll das weiterhin keine Straftat sein.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuches schafft der Bundesrat jetzt die Voraussetzungen dafür, dass die Schweiz der Konvention des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch beitreten kann. Die Schweiz hat diese Konvention - nach vorgängiger Anhörung der Kantone - am 16. Juni 2010 unterzeichnet. Ratifiziert haben sie erst etwa ein Viertel der Mitgliedstaaten des Europarates (nämlich 13 von 47).

Die Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten übrigens auch, das so genannte Grooming, also das sexuell motivierte Anbahnen von Kontakten mit Kindern im Internet, unter Strafe zu stellen -dies allerdings nur, wenn der Kontaktaufnahme weitere konkrete Handlungen für ein Treffen folgen. Dieses Verhalten gilt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts als strafbarer Versuch, sexuelle Handlungen mit Kindern zu begehen, erfüllt also einen Straftatbestand des geltenden Strafrechts. Das Verhalten ist in der Schweiz also bereits strafbar, eine Änderung des Strafgesetzbuches nicht nötig. Und die blosse Kommunikation im Sinne des so genannten „Chattens" wollen wir ja nicht unter Strafe stellen.

Der Bundesrat verzichtet deshalb darauf, die Einführung eines neuen Straftatbestandes des „Grooming" vorzuschlagen. Er legt aber Wert darauf, dass das geltende Recht auch in diesem Bereich konsequent angewendet wird. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass im Bereich der präventiven verdeckten Fahndung auf kantonaler Ebene im Polizeirecht eine gesetzliche Grundlage erarbeitet wird, die eine frühzeitige Intervention gegen strafbare Handlungen im Internet ermöglicht.

Die Konvention enthält neben den erwähnten Strafbestimmungen zahlreiche weitere Bestimmungen. Diese regeln zum Beispiel die internationale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien. Vorgesehen sind auch präventive Massnahmen, zum Beispiel Präventions- und Interventionsprogramme für Sexualstraftäter, Massnahmen bei der Rekrutierung und Weiterbildung von Personen, die mit Kindern arbeiten sowie Programme zur Unterstützung der Opfer. Was in der Schweiz in diesen Bereichen schon alles getan wird, zeigt Ihnen in allen Einzelheiten der erläuternde Bericht des Bundesrates, den wir heute mit dem Entwurf publiziert haben.

Ich möchte hier nur einige Beispiele nennen:

  • Die Sensibiliserungs- und Informationsprogramme in der pädagogischen Ausbildung und bei den Sportverbänden;
  • die laufenden nationalen Kinder- und Jugendschutzprogramme, in denen Staat und Zivilgesellschaft eng zusammenarbeiten;
  • die hängige Vorlage zur Ausdehnung des strafrechtlichen Berufsverbotes für einschlägig vorbestrafte Täter;
  • das von Kinderschutz Schweiz und dem Bundesamt für Polizei entwickelte Online-Formular, über das Verdachtsmeldungen in Sachen Kindersextourismus gemacht werden können;
  • oder als letztes Beispiel: Die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität (KOBIK), die von Bund und Kantonen gemeinsam betrieben wird. Sie deckt seit Jahren gezielt strafbare Missbräuche im Internet auf.

Wir haben alle Punkte der Konvention sorgfältig geprüft und analysiert. Und wir haben gesehen, dass das schweizerische Recht den Anforderungen der Konvention im Bereich Prävention und Opferschutz genügt. Handlungsbedarf besteht einzig im Strafrecht bei den Punkten, die ich Ihnen eingangs erläutert habe.

Weil ein grosser Teil der Bestimmungen der Konvention vorwiegend in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fallen, hat das EJPD vor der Unterzeichnung der Konvention im vergangenen Jahr übrigens auch noch eine Anhörung der Kantone durchgeführt. Die Kantone haben die Konvention ausnahmslos befürwortet.

Die Vernehmlassung zu diesen Änderungen des Strafgesetzbuches läuft jetzt bis Ende November. Mein Departement wird die Stellungnahmen aus der Vernehmlassung anschliessend so rasch wie möglich auswerten.

Es geht hier um einen Ausbau des Schutzes von Kindern und Jugendlichen, der mir ausserordentlich wichtig ist. Ich bin deshalb froh, dass ich dem Bundesrat noch in der ersten Hälfte des nächsten Jahres die Botschaft unterbreiten kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Adresse für Rückfragen

Kommunikationsdienst EJPD, T +41 58 462 18 18



Herausgeber

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
http://www.ejpd.admin.ch

Letzte Änderung 19.01.2023

Zum Seitenanfang

https://www.rhf.admin.ch/content/ejpd/de/home/das-ejpd/fruehere_dv/simonetta-sommaruga/reden.msg-id-91224.html