Die Welt, in der wir leben, setzt sich aus Staaten zusammen. Die Staaten und ihre Staatsangehörigen sind miteinander durch gegenseitige Rechte und Pflichten verbunden. Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, einem Staat anzugehören und eine Staatsangehörigkeit zu besitzen.
Anders geht es Menschen, die keine Staatsangehörigkeit besitzen und die deswegen staatenlos sind. Sie werden von keinem Staat als Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger anerkannt. Dadurch können sie grundlegende Rechte nur erschwert oder gar nicht wahrnehmen. Staatenlose haben keine Identität, sie existieren offiziell nicht. Dies hat in ihrem Alltag tiefgreifende Konsequenzen: Es ist ihnen beispielsweise nicht möglich, ein Bankkonto zu eröffnen, und sie können in keinen Staat gehen, der ihnen Schutz gewährt.
Die Schweiz hat das UNO-Übereinkommen über die Rechtstellung der Staatenlosen von 1954 ratifiziert. Dieses Übereinkommen definiert, wer staatenlos ist und welche Rechte staatenlose Menschen haben.
Staatenlose können ein Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit stellen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) prüft die Gesuche. Werden staatenlose Personen anerkannt, erhalten sie eine Aufenthaltsbewilligung und können ein schweizerisches Reisedokument beantragen.
- Staatenlosigkeit aufgrund ethnischer Zugehörigkeit: Staaten enthalten Angehörigen von Minderheiten die Staatsangehörigkeit vor.
- Staatenlosigkeit bei Geburt: Nachkommen von Staatsangehörigen aus «ius soli Staaten», die in einem «ius sanguinis Staat» geboren werden.
- Staatenlosigkeit aufgrund des Geschlechts: Staaten erlauben es Frauen nicht, ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder zu übertragen.
- Staatenlosigkeit aufgrund von Staatensukzession: Personen, die beim Zerfall von Staaten von keinem der Nachfolgestaaten als Staatsbürger anerkannt werden.
- Staatenlosigkeit aufgrund des Entzugs der Staatsangehörigkeit: Personen, deren Staatsangehörigkeit als nichtig erklärt oder entzogen wurde.
Wie wirkt sich die Staatenlosigkeit im Alltag der Betroffenen aus? Über die Situation staatenloser Menschen in der Schweiz ist wenig bekannt. Aus diesem Grund hat das UNHCR-Büro für die Schweiz und Liechtenstein eine Studie durchgeführt. Darin kommen Behörden, zivilgesellschaftliche Akteure, Personen aus der Wissenschaft und Betroffene zu Wort. Der Bericht «Staatenlosigkeit in der Schweiz: "Sie sind doch nicht einfach vom Himmel gefallen, zu einem Staat müssen Sie gehören!"» vermittelt Einblicke in diese wenig bekannte Thematik.
Das Europäische Netzwerk für Staatenlosigkeit bewirtschaftet eine online-Datenbank, welche Vergleiche über die Situation in verschiedenen Staaten zulässt.
Staatenlosigkeit ist weder im Interesse der Betroffenen noch im Interesse der Staatengemeinschaft. Staaten müssen Lösungen entwickeln und umsetzen.
Die Schweiz «verursacht» selber keine staatenlosen Personen. Sie kann aber einen Beitrag leisten, um Staatenlosigkeit zu bekämpfen. Zum Beispiel:
- indem sie das Anerkennungsverfahren für staatenlose Personen vereinfacht. Wer als staatenlose Person anerkannt ist, ist zwar noch immer staatenlos, hat aber eine Identität.
- indem sie die Einbürgerung für staatenlose Personen erleichtert. Dies ist insbesondere für staatenlose Kinder wichtig. Da die Schweiz das «ius soli» nicht kennt, «vererben» staatenlose Eltern die Staatenlosigkeit an ihre Nachkommen.
Um verbindliche und international anerkannte Rahmenbedingungen zu schaffen, sollte die Schweiz die Ratifizierung folgender völkerrechtlicher Übereinkommen in Erwägung ziehen:
- das Übereinkommen des Europarats von 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit
- die Konvention des Europarats über die Verminderung der Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge von 2006
- das Übereinkommen des Europarats über die Staatsangehörigkeit von 1997
Letzte Änderung 01.06.2020