"Freiheit der Bürger schützen, nicht die Freiheit der Terroristen"

Interview, 19. Mai 2021: FDP.Die Liberalen

FDP.Die Liberalen: "Die Schweiz stimmt am 13. Juni über das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ab. Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärt, weshalb das Gesetz eine wichtige Lücke schliesst."

Inwiefern kann das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT) helfen, Terroranschläge zu verhindern? Reichen die bestehenden Gesetze nicht aus?
Nein. Heute kann die Polizei erst eingreifen, wenn bereits eine Straftat verübt wurde. Künftig soll die Polizei im Sinne der Gefahrenabwehr präventiv handeln können. Wir schliessen mit PMT eine wichtige Lücke. Auch in der Schweiz gibt es Personen, von denen eine terroristische Gefahr ausgeht. Mit PMT könnte einer Person beispielsweise ein Kontaktverbot zu radikalisierten Gruppen oder ein Ausreiseverbot auferlegt werden, um eine Reise in den Jihad zu verhindern. 

Gibt es konkrete Beispiele, wo die PMT-Massnahmen helfen würden?
Ein konkretes Beispiel ist der Fall des früheren Vorbeters der Winterthurer An’Nur-Moschee. Er sitzt wegen IS-Beteiligung eine Gefängnisstrafe ab, spricht aber aus der Haft heraus Drohungen aus. Was passiert mit dem Mann, wenn er seine Strafe verbüsst hat? Um weitere Taten zu verhindern, könnte ihm zum Beispiel ein Kontaktverbot zu radikalisierten Islamisten auferlegt werden. Auch den Attentäter von Morges hätte man möglicherweise besser begleiten können. Ob man den Anschlag verhindert hätte, wissen wir nicht. Sicher ist aber: Heute fehlen uns die Instrumente zur Prävention und polizeilichen Gefahrenabwehr. 

Die Gegner befürchten einen massiven Eingriff in die Grundrechte. Zu Recht?
Nein, im Gegenteil. Die vorgeschlagenen Massnahmen dienen der Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen und dem Schutz der Freiheit der Menschen in der Schweiz. Hier geht es um ein Gesetz, das alle rechtsstaatlichen Garantien gewährleistet. Jede Massnahme muss verhältnismässig sein und kann vor einem Gericht angefochten werden. Die Eingrenzung auf eine Liegenschaft muss ein Zwangsmassnahmengericht bewilligen. Wir schützen nicht die Freiheit der Terroristen, wir schützen die Freiheit der Bügerinnen und Bürger. Zudem nimmt die Schweiz mit PMT international keine Sonderrolle ein: Grossbritannien, Frankreich, Deutschland oder die Niederlande setzen bei der Terrorismusbekämpfung vergleichbare Massnahmen ein.

Sind die PMT-Massnahmen und insbesondere der Hausarrest vereinbar mit der EMRK und der UN-Kinderrechtskonvention?
Ja. Wir haben die Vereinbarkeit mit der EMRK von Professor Andreas Donatsch gründlich abklären lassen. Das Gesetz respektiert auch die Kinderrechtskonvention. Erzieherische und Kinderschutzmassnahmen haben immer Vorrang. Wir sehen leider auch, dass gerade junge Menschen oft anfällig sind und sich leicht radikalisieren lassen. Die Jihad-Reisenden aus Winterthur waren 15 und 16 Jahre alt. In der Ostschweiz hatte die Polizei einen minderjährigen Bombenbauer verhaftet. In Grossbritannien betrifft inzwischen jede zehnte Verhaftung im Zusammenhang mit Terrorismus einen Teenager.

Inwiefern stützt sich das PMT auf bereits erprobte Instrumente?
Präventiv-polizeiliche Massnahmen sind nichts Neues. Sie dienen der Gefahrenabwehr. Schon heute kann beispielsweise ein gewalttätiger Hooligan am Betreten eines Stadions gehindert werden. Auch bei häuslicher Gewalt kann die Polizei einschreiten, bevor etwas passiert. Das gleiche wollen wir auch mit PMT erreichen. Es kann ja nicht sein, dass wir präventiv gegen Hooligans vorgehen können, nicht aber gegen terroristische Gefährder.

Weitere Infos

Dossier

  • Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT)

    Die Stimmbevölkerung hat das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) am 13. Juni mit 56,58 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Die neuen Bestimmungen erlauben es der Polizei, früher und präventiv einzuschreiten, wenn konkrete und aktuelle Anhaltspunkte vorliegen, dass von einer Person eine terroristische Gefahr ausgeht. Terroristische Gefährder können auf Antrag eines Kantons, des NDB oder allenfalls einer Gemeinde künftig verbindlich zu Gesprächen aufgeboten werden. Sie können mit einer Meldepflicht, einem Kontakt- oder einem Ausreiseverbot, einer Ein- oder Ausgrenzung und im äussersten Fall mit einem Hausarrest belegt werden. Mit den neuen präventiv-polizeilichen Massnahmen sollen terroristische Anschläge verhindert und die Sicherheit der Bevölkerung erhöht werden.

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Letzte Änderung 19.05.2021

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