Bundesrat gegen Bauverbot für Minarette; Botschaft zur Volksinitiative "Gegen den Bau von Minaretten" verabschiedet

Bern, 27.08.2008 - Die Volksinitiative "Gegen den Bau von Minaretten" ist gültig zustande gekommen, verstösst aber gegen international garantierte Menschenrechte und steht im Widerspruch zu zentralen Werten der schweizerischen Bundesverfassung. Ein solches Verbot würde den religiösen Frieden gefährden und würde nicht dazu beitragen, die Verbreitung der Thesen islamistisch-fundamentalistischer Kreise zu unterbinden. Der Bundesrat beantragt deshalb in seiner am Mittwoch verabschiedeten Botschaft dem Parlament, die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

Die Volksinitiative "Gegen den Bau von Minaretten" ist am 8. Juli 2008 mit 113 540 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Die Initiantinnen und Initianten wollen den Bau von Minaretten in der Schweiz verbieten, da diese Bauten ihrer Ansicht nach Symbole eines religiös-politischen Machtanspruchs sind, welcher die Bundesverfassung und die schweizerische Rechtsordnung in Frage stellt. Die Initiative verstösst nach Ansicht des Bundesrats nicht gegen zwingendes Völkerrecht  und ist deshalb gültig; insbesondere wird der Kernbestand der Menschenrechte, der von allen Staaten anerkannt wird und von dem nicht abgewichen werden darf, dadurch nicht verletzt. Sie ist jedoch unvereinbar mit verschiedenen Menschenrechten, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und durch den UNO-Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II) garantiert sind.

Verstoss gegen die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot

Die Initiative verstösst insbesondere gegen die Religionsfreiheit. Zwar lassen die EMRK und der UNO-Pakt II unter bestimmten Voraussetzungen eine Einschränkung der Religionsfreiheit zu. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Ein allgemeines Bauverbot für Minarette in der Schweiz lässt sich nicht mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründen. Es schliesst die erforderliche Prüfung der Verhältnismässigkeit im Einzelfall aus. Die Initiative missachtet ferner das Diskriminierungsverbot. Sie richtet sich ausschliesslich gegen ein religiöses Symbol des Islam, während sie vergleichbare bauliche Symbole anderer Religionen nicht erfasst.

Im Widerspruch zu zentralen Werten der Bundesverfassung

Im Weiteren steht die Initiative, welche die schweizerische Gesellschafts- und Rechtsordnung schützen will, im Widerspruch zu verschiedenen Grundrechten und Prinzipien, die in der Bundesverfassung verankert sind: zum Rechtsgleichheitsgebot und zum Diskriminierungsverbot, zur Glaubens- und Gewissensfreiheit, zur Eigentumsgarantie, zum Verhältnismässigkeitsprinzip sowie zur Beachtung des Völkerrechts. Ein Bauverbot für Minarette wäre zudem ein unverhältnismässiger Eingriff in kantonale Kompetenzen. Die örtlichen Behörden können gestützt auf das geltende Bau- und Raumplanungsrecht am besten beurteilen, ob ein Bauvorhaben zulässig ist. Es besteht kein Grund, bei Bauten einer bestimmten Religionsgemeinschaft von dieser bewährten Ordnung abzuweichen.

Zur Bekämpfung extremistischer Tätigkeiten ungeeignet

Sollte die Initiative zum Ziel haben, der Bedeutungszunahme des Islam in der Schweiz Einhalt zu gebieten, so liesse sich dies mit einem allgemeinen Bauverbot für Minarette nicht erreichen. Das Vorhaben ist auch nicht geeignet, um gewalttätige Aktivitäten extremistisch-fundamentalistischer Kreise zu verhindern und zu bekämpfen. Die Vorschriften des Bundes und der Kantone über die innere Sicherheit sowie über die Ausländerinnen und Ausländer sehen wirksame Massnahmen vor, um solche Aktivitäten zu unterbinden und die rechtsstaatlichen Grundlagen der Schweiz zu schützen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang etwa an die Vorschriften für die Tätigkeit ausländischer Imame in der Schweiz.

Religiöser Friede gefährdet und Integration beeinträchtigt

Ein Bauverbot für Minarette könnte den religiösen Frieden gefährden und die Integration der moslemischen Bevölkerung, die in ihrer überwiegenden Mehrheit die schweizerische Rechts- und Gesellschaftsordnung respektiert, beeinträchtigen. Schliesslich würde die Annahme der Volksinitiative im Ausland auf Unverständnis stossen und dem Ansehen der Schweiz schaden, was sich negativ auf die Sicherheit schweizerischer Einrichtungen und die Interessen der Schweizer Wirtschaft auswirken könnte. Wie die Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften können die Moslems sich in der Schweiz nicht auf ihren Glauben berufen, um eine Nichtbeachtung der für alle geltenden Gesetze zu rechtfertigen. Es gibt aber für den Staat umgekehrt auch keinen Anlass, die Ausübung ihres Glaubens strengeren Regeln zu unterwerfen.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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